Image
Musikverein Harmonie Gerlafingen
Postfach 241
4563 Gerlafingen

Von Adelboden nach Gerlafingen: Kurt blickt auf 66 Jahre in der Harmonie zurück

1959 erscheint zum ersten Mal der «Blick», Alaska wird Bundesstaat der USA, der Film «Ben Hur» feiert Premiere, Freddy Quinn singt «Die Gitarre und das Meer», und Kurt Vogel wird Mitglied der Harmonie Gerlafingen. 66 Jahre ist das jetzt her. Nach dem regionalen Musiktag in Solothurn und zwei «Ständeli» hört Kurt nun auf. Der bald 83-Jährige hat in der Harmonie nicht nur Posaune gespielt, sondern als Präsident auch das Duzen eingeführt. Zuvor habe man sich in den Proben gesiezt, erzählt Kurt im Gespräch und scheint es selber fast nicht glauben zu können.

Image

Lieber Kurt, warum hörst du auf?

Ich habe lange Musik gemacht. Ich komme auch aus einer Familie, in der sehr viel Musik gemacht wurde. Ich habe Ansprüche an mich selber und es ist schwieriger geworden, diese zu erfüllen. Wenn ich einen Lauf spiele, kommt er mir nicht mehr so, wie er eigentlich sollte. Nun steht das Eidgenössische Musikfest vor der Türe und damit ich dort mitmachen könnte, müsste ich wieder in den Keller und üben wie ein Verrückter und darauf habe ich ehrlich gesagt keine Lust.

Dabei wolltest du doch eigentlich an einem Eidgenössischen aufhören?

Wenn das Eidgenössische in Interlaken gewesen wäre, hätte ich vielleicht noch ein Jahr angehängt. Als Oberländer wäre es für mich schön gewesen, in Interlaken den Abschluss zu machen. Aber dann haben sie da oben finanzielle Probleme bekommen und das Eidgenössische nach Biel verschoben. Darum ist mir das Aufhören jetzt gar nicht so schwergefallen. Nach Biel muss ich nicht mehr.

Image

Wann hast du eigentlich angefangen, Musik zu machen?

Hoioioi…. Es war bei uns so: Der Vater war Dirigent der Musikvereine von Adelboden und Frutigen. der Bruder war auch Dirigent – der hat jetzt auch aufgehört – und leitete eine Zeitlang die Stadtmusik Thun und nachher noch die Arbeitermusik Thun. Die Schwester spielte Flöte und war eine sehr gute Pianistin. Wir haben immer sehr schöne Hausmusik gemacht daheim.

Mein erster Auftritt war mit acht Jahren: Mit dem Vater zusammen habe ich in Frutigen in der Kirche mit der Flöte Weihnachtslieder gespielt. Dann habe ich zuerst Trompete gespielt. Wir hatten ein Tanzorchester und waren im Berner Oberland ziemlich bekannt. Und in der Musik in Adelboden habe ich Tenorhorn gespielt.

Wie bist du vom Berner Oberland nach Gerlafingen gekommen?

Ich habe in Gerlafingen eine Mech-Lehre gemacht in der damaligen Von Roll. Lehrlings-Chef war der Zimmerli Gottlieb (Anmerkung: Zimmerli war auch Dirigent der Harmonie Gerlafingen). Als er einmal in Adelboden Ferien machte, hat er mich dort spielen gehört an einem Dorfkonzert für die Fremden. Als ich am Montag wieder in die Werkstatt kam, sagte der Zimmerli: «Du kommst dann in die Harmonie». Ich hatte keine Chance zu widersprechen.

Welches Instrument hast du in Gerlafingen zuerst gespielt?

Ich wollte Tenorhorn spielen, weil ich das gelernt hatte. Aber in Gerlafingen hatten sie keine Waldhörner, also gab mir der Zimmerli Gottlieb ein Waldhorn. Ich sagte, das habe keinen Sinn. Ich hatte einfach nicht das richtige «Müüli». Ich hatte eine «Schmuuse-Schnurre», auf gut Deutsch gesagt. Es ging einfach nicht. Dann entschied ich mich halt für Posaune, aber ich wollte eine Ventilposaune, ich hatte keine Ahnung von Zugposaunen.

Ein Kollege aus der Lehre, der Mathys Felix aus Gerlafingen, spielte Posaune und hat es mir dann beigebracht. Ich hatte ein Zimmer im Logierhaus und dort sind wir in den Keller. Ich war viel im Keller. Wir haben zusammen die Züge geübt und Tonleitern gespielt und nach etwa vier Wochen war ich soweit, dass ich mir zutraute, einen Marsch zu spielen mit der Zugposaune. Also ging ich in die erste Probe und ich weiss heute noch, welches Stück auf dem Notenständer lag: die Suite «L’Arlésienne» (Anmerkung: von Georges Bizet). Angefangen hat es für mich mit etwa 64 Takten Pause, dann waren 3 Takte zu spielen, und danach sind wieder 75 Takte Pause gekommen. Ich glaube, in dem Stück habe ich nicht mehr als etwa zehn Töne gespielt. Aber das habe ich prästiert und so wurde ich Posaunist in der Harmonie Gerlafingen (lacht).

Image

Wann war das?

1958 kam ich nach Gerlafingen und nach einem Jahr Lehre ging ich 1959 in den Verein.

Dann bist du jetzt also 66 Jahre lang in der Harmonie gewesen – das ist enorm beeindruckend!

Es war eine schöne Zeit. Die Musik hat mich immer begleitet. Das war etwas Wichtiges in meinem Leben. Obschon ich einen Job hatte, der nicht so ideal war. Ich war Verkaufsleiter in einer Firma, die Maschinen in die Schweiz importierte, ich war der sogenannte Bettvorleger des Chefs und sehr viel im Ausland. Die Proben zu besuchen war sehr schwierig, aber es ging.

Was waren die Höhepunkte?

Mit der Harmonie haben wir natürlich Wahnsinns-Sachen erlebt in all diesen Jahren. Etwa die Reisen, die wir unternommen haben. Einmal war die Harmonie in Italien auf Konzerttour, eine Woche lang in Cesenatico. Sowas bleibt in Erinnerung. Oder wir hatten wunderschöne Konzerte im Gerlafingerhof, Galakonzerte!

Das Mitwirken in den Ämmebutze war ein weiterer Höhepunkt (Hier geht es zu der Geschichte der Ämmebutze: Link ). Da habe ich dann wieder Tenorhorn gespielt, das hatte ich natürlich nicht verlernt. Das war auch eine sehr schöne Zeit.

Image

Und bei der Pensionierung ging mein grösster musikalischer Wunsch in Erfüllung. Ich war immer Fan der Big Band-Musik, von Swingtime, Benny Goodman, Glen Miller. Es war immer mein Traum, in einer Big Band zu spielen. Und als ich 65 wurde, kam mein Kollege Heinz Sollberger zu mir und sagte: Jetzt kommst du zu uns «posünele». In der Evergreen Big Band aus Langenthal spielte ich acht Jahre lang, das war für mich der Hit. Schade, dass sie dann altershalber aufgelöst wurde.

Da kommt mir noch eine lustige Begebenheit in den Sinn…

Erzähl bitte!

In der Lehre ist der Zimmerli Gottlieb gekommen, als wir am Feilen waren, und sagte: «Gell, dir stinkt’s? Komm mit!». Er hatte in seinem Büro ein Nebenräumchen und da sind wir zu zweit oder zu dritt hingegangen. Es hatte noch andere Lehrlinge, die in anderen Vereinen Musik gemacht haben. Er hat uns dann eine Partitur «vore Grind klepft». «1812» hat er mir hingeworfen (Anmerkung: Ouvertüre von Tschaikowski). Daraus mussten wir die einzelnen Stimmen herausschreiben. Das war nicht so einfach.

Aber jetzt kommt das Lustige: Als Gottlieb Zimmerli starb – ich war damals Präsident - hat die Frau Zimmerli angerufen. Im Keller habe es Noten, ob wir Interesse hätten, sonst müsse sie diese fortwerfen. Wir sind sofort hin und da sind die Noten hervorgekommen von der «1812», die ich in der Lehre geschrieben hatte (lacht).

Image

Was machst du jetzt mit den vielen Stunden, die du nicht mehr in der Harmonie verbringst?

Ich bin immer noch ziemlich engagiert. Ich habe ein Haus, treibe ziemlich viel Sport, gehe in die Berge wandern… Und das Wichtigste: Meine Posaunen-Kollegen haben mir ja eine Flasche Whiskey und eine Zigarre geschenkt. Ich werde mich also im Liegestuhl erholen, Whiskey trinken und den Stumpen rauchen. Mit einem Kopfhörer auf dem Grind bekomme ich dann sogar noch mit, welche Musik die Harmonie so spielt.


Adresse

Musikverein Harmonie Gerlafingen
Postfach 241
4563 Gerlafingen

e-mail:
kontakt@harmonie-gerlafingen.ch

Newsletter